Auf dem Hagenberg steigt das erste Mittelalterfest in Göttingen / Erinnerungen an die Pfalz Grona / Veranstalter mit Resonanz zufrieden
Göttingen. Die Gaukler und Minnesänger waren los, der Met floss, die Kettenhemden rasselten, blanke Harnische, Schwerter und Äxte blitzten in der Sonne – der Hagenberg in Göttingen stand am Wochenende ganz im Zeichen des Mittelalters.
Mit einem „Spectaculum zu Ehren Kaiser Heinrich II.“ hat die „Initiative Bürgerstammtisch Hagenberg“ an den mittelalterlichen Herrscher erinnert, der vor 1000 Jahren am 13. Juli 1024 auf der Pfalz Grona in dem heutigen Göttinger Ortsteil gestorben war. Im Zentrum der Festtage stand ein zweitägiges Mittelalterfest.
Luca ist mächtig stolz. Ganz ruhig sitzt der Wüstenbussard von Falkner Detlev Kerkmann auf dem Arm des Achtjährigen, der in einem dicken Lederhandschuh steckt, um ihn vor den scharfen Krallen des Raubvogels zu schützen. Kerkmann lobt den Mut des Jungen. Mit seiner Falknerei Walhall hat Kerkmann ganz am Rand des großen Fest-Areals auf dem Hagenberg Platz gefunden.
Nur schwach dringen am Stand der Falknerei Walhall Sackpfeifen- und Trommelklänge an die Ohren der Besucher. Wer der Musik folgt, und sich den Weg bahnt, vorbei an Ständen der Schausteller, die hier etwa Met, Schmuck, Honig und Gedrechseltes feilbieten, und durch die zahlreichen Besucher, die nicht nur äußerst zahlreich den Weg in Göttingens Westen gefunden hatten, sondern von denen einige auch mittelalterlich gekleidet waren, erreicht schließlich einen Platz unter einem Ahorn.
Mittelalterband mit Marktsäcken und selbstgebauten Trommeln
Lucull, der Ohrenschmaus (Frederik Esselmann), Loki, der Schelm (Markus Schütz), Limerik, der Wolf (Carsten Schütz-Kawalek), Toni von Riga (Toni Karalus) und Isleif der Geduldige (Tobias Wiemann) – kurz die Mittelalterband „Saltatio Draconum“ aus Scheden – haben im Schatten des Baumes bereits am Sonnabendnachmittag viele Zuhörer um sich gescharrt. Die Spielleute geben einen kurzen Vorgeschmack auf das, was dann am Abend auf der großen Hauptbühne passieren sollte. Traditionelle mittelalterliche Stücke, gespielt auf Marktsäcken, selbstgebauten Trommeln und begleitet durch einen akustischen Bass, treffen auf moderne Kompositionen wie etwa die Titelmelodie der Fantasy-Serie „Game of Thrones“.
Göttingens Kulturdezernentin Anja Krause hatte in Vertretung von Schirmherrin Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) am Vormittag das Fest eröffnet. Sie lobte nicht nur das ehrenamtliche Engagement des Bürgerstammtisch Hagenberg, das Fest auf die Beine zu stellen. Sie hob auch dessen Bestrebung hervor, die Geschichte der Pfalz Grona wieder ins Bewusstsein der Anwohner und der Göttinger zu holen.
Die Burganlage der Pfalz auf dem Hagenberg wurde erstmals 915 urkundlich erwähnt. Für die Zeit zwischen 941 und 1025 sind 18 Königs- und Kaiseraufenthalte bezeugt. Die Pfalz Grona gilt daher als spezifisch ottonische Pfalz hohen Ranges. Nachgewiesen sind Aufenthalte von Otto I., Otto II., Otto III. und Konrad II. Für Heinrich II. und seine Gemahlin Kunigunde soll Grone ein beliebter Aufenthaltsort gewesen sein.
Pfalz Grona: Eine Königsburg auf dem Hagenberg in Göttingen
In Kämpfen zwischen Heinrich dem Löwen und der Reichsgewalt wurde die Burg erstmals zerstört, 1320 schließlich im Streit des Herrschergeschlechts Grone mit den Göttinger Bürgern niedergelegt und seit 1387 abgetragen und als Steinbruch genutzt. Über die Herren von Adelebsen und von Hardenberg kamen das Pfalzgelände und die zur Pfalz gehörenden Ländereien in den Jahren 1371/72 an die Stadt Göttingen.
Auf dem einstigen Burggelände stehen heute Kirche, Gemeindehaus, Kita und das Merckerzentrum der Friedenskirchengemeinde. Seit 1884 steht auf dem Hagenberg ein Gedenkstein, der an die Zeiten erinnert, als Könige in der Pfalz Hof hielten. Eine Tafel im Kirchturm zeigt grob das einstige Burggelände. Bereits drei Mal – 1880, 1935 und 1957 – gab es archäologische Grabungen.
Während des Mittelalterfestes war im Merckerzentrum eine Ausstellung zur Geschichte der Pfalz zu sehen. Diese wurde bereits am Mittwoch eröffnet. Ein zweitägiges wissenschaftliches Kolloquium mit 90 Gästen pro Veranstaltungstag und mit zahlreichen Vorträgen rundeten die Veranstaltung rund um die Pfalz Grona ab. Zuvor gab es bereits am Seminar für mittlere und neuere Geschichte an der Uni Göttingen das Projektseminar „Jubiläum der Kaiserpfalz in Grone“ unter Leitung von Dr. Niels Petersen.
Nach dem ersten Festtag zogen die Organisatoren des Spectaculums eine Zwischenbilanz. Und die fiel positiv aus: Nein, bei so einer Premiere sei nicht abzusehen gewesen, wie viele Gäste tatsächlich kommen, zumal es viele Konkurrenzveranstaltungen gab. Am Ende des ersten Tages sprach Mitorganisator Ulrich Schubert von 1500 bis 2000 Besuchern. Genaue Zahlen seien aber schwierig zu ermitteln. Bewusst habe man darauf verzichtet, Eintritt zu nehmen, wie er betont.
Vor zwei Jahren, so berichtet Thomas Dannenboom vom Organisationsteam, hätten die ersten Planungen für das Fest begonnen. „Wahnsinnig viel Arbeit“ stecke in dem Fest. Dannenboom schätzt, dass das Kernteam der „Initiative Bürgerstammtisch Hagenberg“ rund 1000 Ehrenamtsstunden in das Projekt investiert habe. Hinzu kommt die ehrenamtliche Arbeit der rund 90 freiwilligen Helfer während des Festes. Ohne die sei das Fest nicht zu stemmen gewesen. Von Anfang an habe man von allen Seiten große Unterstützung für das Vorhaben erfahren.
Eines hatten die Organisatoren schon vor der gelungenen Premiere am Wochenende angedeutet: Das „Spectaculum“ soll „keine Eintagsfliege“ bleiben, vielmehr ein fester und wiederkehrender Bestandteil des Göttinger Jahres sein.
„Wir sind selber überwältigt von der Resonanz und dem Zuspruch, den wir von so vielen Besuchern und den Marktleuten bekommen. Natürlich werden wir im gesamten Team abschließend Bilanz ziehen und dann auch über eine Wiederholung sprechen – dann schauen wir weiter“, sagte Schubert am Sonntagmorgen.
Quellenangabe: Göttinger Tageblatt vom 02.09.2024, Seite 9